19.04.: Der Alte und der Aussteiger

Villavante – Valdeviejas ~23 km

Es ist schon ein wenig verrückt. Da läufst du den ganzen Tag, bist auf Englisch und ein paar Wörter Spanisch angewiesen und dann das: Nach und nach kommen weitere Leute, die in der Herberge Santa Lucia in Villavante übernachten. In dem großzügigen Schlafraum mit 26 Betten sind wir am Ende zu 6 Personen. Und alle bis auf Jolana sprechen Deutsch. Mit Wolfgang, Flo und Christin, die alle in St.Jean gestartet sind und schon über 500 km hinter sich haben tausche ich erste Erfahrungen aus. Da ich jedoch sehr müde war habe ich mich schon um halb Acht schlafen gelegt. Die Herberge in Villavante ist übrigens sehr empfehlenswert.
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Um 8 Uhr starte ich Richtung Hospital de Orbigo wo ich um kurz nach 9 ankomme und an einem Trinkwasserbrunnen meine erste Pause einlege. Ich ärgere mich gerade etwas, da heute Sonntag ist und ich gestern vergessen habe, mir Proviant für heute mitzunehmen. Eine Bar hat in Hospital de Orbigo auch noch nicht geöffnet, so müssen Frühstück und Kaffee heute eben etwas länger warten.

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Bei der Pause holen mich Christin und Jolana ein, mit denen ich bis zum nächsten Ort gemeinsam gehe. Unterwegs, treffen wir einen älteren Herrn, mit dem wir uns auf Deupanisch (Mischung aus Deutsch und Spanisch) sehr nett unterhalten. In der Bar frühstücken wir erst einmal. Café, Tortilla und ein Sandwich mit Käse und Wurst.
Als wir aus der Bar herauskommen steht auf einmal wieder wie aus dem Nichts der nette ältere Herr bei uns. Wir verabschieden uns kurz und wollen Gedankenverloren nach links weiter – doch der Mann weist uns darauf hin, daß dies der falsche Weg sei und zeigt uns wo es langgeht. Um ein Haar hätten wir uns verlaufen, wäre er nicht gewesen.

Nach einer Tour über einen zunächst matschigen, dann steinigen Weg treffe ich auf der Anhöhe auf André. Kein Pilger, sondern ein Aussteiger der seit 6 Jahren hier oben abseits von jeglicher Zivilisation – ohne Strom, Wasser und Geld – lebt und eine kostenlose Bar für Pilger anbietet.

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Ich komme mit ihm ins Gespräch und wir unterhalten uns lange. Die Säfte bekommt er von der Kirche gebracht. Den Kaffee kocht er überm Feuer. Manche Fruchtsäfte presst er an dem Stand selber aus „Ausschussware vom Geschäft“. Selbst im Winter lebt er hier alleine, manchmal ohne das an einem Tag ein Pilger vorbeikommt.
Als ich ihm zum Schluß etwas Geld als Spende anbieten will sagt er mir, das Geld für ihn keine Bedeutung habe und das herzliche Gespräch die größte Bezahlung für ihn sei.

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Es geht weiter Richtung Astorga, wo heute mein Quartier sein wird. Doch vorher kommt noch das Örtchen San Justo de la Vega . Der Marsch über die Anhöhe war anstrengend und ich habe nur noch eine halbe Flasche Wasser, doch der Brunnen in San Justo ist kaputt, also muß das Bißchen bis Astorga ausreichen.

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Vor der Stadtmitte ist ein steiler Anstieg, doch man wird in der Stadt mit tollen Bauwerken belohnt, die zum fotografieren einladen. Vor lauter Begeisterung vergesse ich ganz, nach einem Brunnen Ausschau zu halten. Dafür finde ich ein Souvenirgeschäft, das Pilgerstäbe anbietet. Ich kaufe mir einen, da ich ihn für die bevorstehenden Etappen über die Montes de León sehr gut gebrauchen kann.

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Da ich mich am Morgen mit Wolfgang für eine Herberge kurz hinter Astorga besprochen hatte laufe ich die 2 Kilometer weiter. Ein kleiner „Nachbarschaftsverein“ bietet 10 Betten in 2-3 Bett-Zimmern an. Ideal um Ruhe zu finden, nur taucht Wolfgang leider nicht auf. Vielleicht ist er in Astorga geblieben? Dafür habe ich heute ein Zimmer für mich alleine.

Heutiges Budget:
Frühstück in Villares Orbigo 5,20 €
Pilgerstab und Ansichtskarten 9 €
Dosensuppe 3 €
alkoholfreies Radler 1 €
Schokoriegel 1 €
Übernachtung 5 €
Gesamt 24,20 €

Weissheit des Tages: Du läufst nur deinen eigenen Weg.

2 Kommentare zu “19.04.: Der Alte und der Aussteiger

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